Gabriel Glas
Glas-Vision: Aus der Not zur Genialität
Oft gestaltet sich die Wahl des richtigen Glases schwieriger als die Wahl des passenden Weines. Was ist einem echten Weingeniesser wichtiger?
Ein Schrank voller Gläser oder einen Keller voller Weine?
Pessimisten sind verpönt, weil diese ein halb volles Glas als halb leeres Glas bezeichnen. Optimisten würden ein Weinglas nie bis zur Hälfte füllen. Die Kunst des modernen Weingeniessens liegt darin, dass man auch mit einer kleineren Menge den optimalsten Genuss erreichen kann. Voraussetzung ist immer, dass der im Glas befindliche Wein alle möglichen Chancen zur bestmöglichen Präsentation bekommt.
Es ist anzunehmen, dass praktisch jeder Weingeniesser zu Hause ein Arsenal von mehr oder weniger vielen, verschiedenen Gläsern in seinen Schränken aufbewahrt. Motto: Lieber viele Gläser im Kasten als nicht alle Tassen im Schrank! Doch meist verwendet er immer wieder das gleiche Glas, weil der Mensch eigentlich ein Gewohnheitstier ist. Also definiert er – ohne es selber richtig zu bemerken – sein persönliches Lieblingsglas. Die restlichen, meist ausufernd grossen Gläser fristen ihr Dasein mehr oder weniger als Schau und Dekoration.
In meiner mehr als dreissigjährigen Weinkarriere verkostete ich zehntausende von Weinen. Aus dem Fass, bei Weingutsbesuchen in aller Welt, an Raritätendegustationen, öffentlichen Veranstaltungen, an Wine & Dine’s und natürlich auch bei privaten Einladungen. Obwohl sich der generelle Glas-Standard in den letzten Jahren etwas verbessert hat, wünschte ich mir in vielen Fällen ein «besseres Glas».
Denn, sobald viele Menschen an Weinproben teilnehmen und viele Weine präsentiert werden, kommen sehr oft genussvermindernde Kompromissgläser zum Einsatz.